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Andrea Koch-Reynolds über Jana Beňová

Jana Beňovás Roman Parker wurde im Herbst in deutscher Übersetzung auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Auf die Frage, wie denn die Präsentation gewesen sei, antwortete die Autorin: In Frankfurt war es so – naja eben wie auf einer Messe. Nichts so richtig für uns Kleinen. Das klingt fast entschuldigend, als ob Jana Beňová eher aus Versehen in diesem renommierten Rahmen aufgetreten sei. Dabei hat diese Autorin eigentlich keinen Grund zu Bescheidenheit oder gar zur Resignation: Mit 19 Jahren (*1974) publizierte sie in der Slowakei ihren ersten Gedichtband (Der Lichtscheue, 1993), dem folgten schon bald zwei weitere (Schoßgang, Nacktfall - beide1997). Parker war ihr erster Roman (2001), 2003 erschien der Erzählband Zwölf Erzählungen und Ján Med und 2008 hat die Autorin mit einem neuen Roman Begleitplan. Café Hyäne ein fantastisches Stück Prosa nachgelegt. Auch im deutschen Sprachraum ist die Autorin keine Unbekannte mehr: ihre Texte wurden in Literaturzeitschriften gedruckt (OSTRAGEHEGE, COMMA), und 2006 war sie residierende Stipendiatin des Unabhängigen Literaturhauses Niederösterreich in Krems.

Jana Beňová ist nicht mit Pauken und Trompeten auf dem Podium der Literatur erschienen, sie wurde auch nicht im Rahmen eines jener renommierten Literaturwettbewerbe entdeckt, die vielen jungen Autoren in der Slowakei zu einer Karriere verholfen haben. Beňová hat sich langsam, doch kontinuierlich in die jüngste slowakische Literaturgeschichte eingeschrieben. Zu Beginn wurde sie nur von Hellhörigen wahrgenommen. Ihr erstes Prosawerk Parker erschien lediglich als „Nebenprodukt“ (Sonderedition) einer Zeitschrift, es war nur in zwei Buchhandlungen erhältlich und gar nicht in die Distribution einbezogen. Mit Zwölf Erzählungen und Ján Med setzte die Autorin einen neuen erzählerischen Akzent und in Zusammenhang mit Begleitplan. Café Hyäne sind die Kritiker nun dabei, ihr Werk rückwirkend umzubewerten, ihr nun den gebührenden Respekt zukommen zu lassen, und sie sagen ihr eine goldene Zukunft voraus.

Was die Prosa betrifft, so ist Jana Beňová keine Autorin komplexer Generationsromane, sondern aneinander gereihter wirkungsvoller kleiner Szenen, die sich lebhaft vor dem Auge des Lesers entfalten und auch lebendig bleiben. In den Zwölf Erzählungen finden wir in sich geschlossene Handlungen vor. Die Romane wiederum sind in zahlreiche sehr verschiedenartig gestaltete Kapitel unterteilt, man vermisst zunächst völlig eine konventionelle Romanstruktur. Doch die Sequenzen sind geschickt miteinander verwoben und bilden auf erstaunliche Weise ein Ganzes. Der Zusammenhalt wird gewährt durch kontinuierliche Motive, die Beňová wie einen Refrain, doch in sehr variierter Untermalung, immer wieder aufgreift: in Parker ist es das Heidi-Motiv, adaptiert von Johanna Spyri, in Begleitplan ist es das Motiv des Begleitens – Liebender, Freunde, der alten Mutter. Kontinuität wird auch durch die Personen gewährt, die sich wandeln und verwandeln, in verschiedene Rollen, Gender und Situationen schlüpfen, denen die Autorin jedoch, was immer auch geschieht, jeweils unerschütterlich treu bleibt.

Beňovás Erzählen zeichnet sich durch die Kunst des Details aus. Sie versteht es, mit sicherer Hand die fürs Gestalten einer Szene entscheidenden Details hervorzuheben (und nicht die nebensächlichen). Dadurch entsteht Humor, Absurdität und Ironie, das Zurückgreifen auf Details hält das Kaleidoskop von Szenen zusammen. Diese Liebe für Szenen und Details kommt vermutlich nicht von ungefähr. Jana Beňová hat Theaterdramaturgie studiert und arbeitet nun schon seit vielen Jahren als Journalistin für eine bedeutende slowakische Tageszeitung. Das Denken und Schreiben in Szenen liegt der Theaterausbildung nahe, die Jagd nach dem Detail gehört zu ihrem Tagesgeschäft. Der Journalismus, die Selbstironie in Hinblick auf diese Sparte des Schreibens, hat ihr vielleicht auch zu einer besonderen Ausprägung an Ironie und Absurdität verholfen, wie zum Beispiel einige Passagen zum Büroalltag der Maus Spidigon Zales in Parker andeuten. Es mag ihrer Schreiberfahrung als Reporterin oder auch ihrem gelegentlichen Überdruss am Journalismus, wie sie ihn selbst mitunter äußert, zu verdanken sein, dass sie die Worte und Bilder einerseits so sachlich genau trifft, dass sie andererseits der Logik und Sachlichkeit entflieht, um wiederum poetisch präzise zu sein. Wenn Beňová sich mit Prosa an ihrer Grenze sieht, greift sie zur Lyrik - und dies auch in ihren Romanen. „... wenn ich schon keine Gedichte mehr schreibe, um Poesie werde ich mich weiterhin in jedem meiner Bücher bemühen. Deshalb schreibe ich sie doch.“ äußerte sie kürzlich in einem Interview.

Jana Beňová weicht allzu vielen und umschweifenden Worten und atmosphärisch aufgeputschten Szenen in weitem Bogen aus, sie schreibt nicht für den Effekt. Sie ist ein Fräulenwunder, doch gewissermaßen ein burschikoses – ein jungenhaftes Mädchen, ein mädchenhafter Junge mit dem Intellekt einer erwachsenen Autorin. Doch wer ihr – wie es in der Vergangenheit hin und wieder zu hören war – kindliche Naivität vorwirft, der hat wohl doch nicht richtig hingeschaut.

Beňová praktiziert durch die meisten ihrer Bücher hindurch fiktives autobiografisches Schreiben: Man kann nicht anders, als anzunehmen, dass sie schreibt, was sie selbst erlebt, gesehen, gerochen, geschmeckt, gedacht, geträumt, ersehnt und gefürchtet hat. Dies lässt uns an die Figuren nahe herantreten und bietet Identifikation an. Doch da ist zugleich ein ironischer Abstand der Autorin zu den Figuren, sie schickt den Leser immer wieder in eine Beobachterposition und nötigt ihn, das Gelesene als ein Stück Literatur zu betrachten. Durch Verfremdung, Verwandlung und Spiel vermeidet sie es, dass sich der Leser in das Drama und in die Höhenflüge einiger der Hauptfiguren zu sehr und zu persönlich einbezogen fühlt, sie vermeidet es, dass der Leser der Autorin als Person näher tritt als ihm und ihr lieb ist.

Es ist schwer, Beňovás Literatur im Rahmen der slowakischen Gegenwartsliteratur korrekt zu kategorisieren, denn sie spielt in einer eigenen Liga. Sie ist keiner der Strömungen der Literatur ihrer Autorengeneration richtig zuzuordnen, weder der Ästhetik der völligen Entfremdung und der „Coolness“, (Peter Macsovszky, Tomáš Horváth) noch jener der Vereinsamung und des Außenseitertums von Vladimír Balla, und sie folgt auch nicht dem Trend des extrovertierten Schreibens, wie dies zum Beispiel Peter Píšťanek und Dušan Taragel auf sarkastische Weise vorgeführt haben beziehungsweise, ganz nah am Puls der Zeit, der inzwischen als Kultautor geltende Michal Hvorecký mit seinen Analysen zeitgenössischer Pop-Kultur-Trends. Beňovás Texte reflektieren ihr eigenes Leben, das Leben anderer Menschen, das Lebensumfeld in der Gegenwart und der Vergangenheit einschließlich zeit- und gesellschaftsspezifischer Phänomene und Lokalitäten (in Begleitplan ist der berühmt-berüchtigte Bratislavaer Plattenbau-Stadtteil Petržalka der wichtigste Bezugspunkt und gewissermaßen ein Protagonist), doch ihre Gedichte und Prosawerke sind keine eindeutige Autobiografie, keine Abbildung oder dramatische Nachgestaltung der beobachteten Personen und Geschehnisse, keine ausgearbeiteten komplexen Handlungen oder psychologischen Analysen. Es ist, als ob Jana Beňová sich selbst und alle ihre Gestalten durch einen Narnia-Schrank in eine andere Welt steigen lässt ohne von der hiesigen zu weit entfernt zu sein. Und die Figuren können sich dort und hier frei bewegen, so scheint es jedenfalls.

Es ist allerdings nicht so schwer, über einige ihrer Inspirationsquellen zu spekulieren: Zum einen wird Rudolf Sloboda von der Autorin gern zitiert. Er ist einer der großen Literaten der modernen slowakischen Literatur der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts und hat sich auch vor allem dadurch einen Namen gemacht, dass er das eigene Leben zu seinem wichtigsten literarischen Sujet erhob und dem autobiografischen Schreiben durch seinen speziellen Humor und einen besonderen Anstrich von Fiktion eine besondere Note verlieh. Des Weiteren lässt Beňová mit ihrer eigenwilligen Mischung aus Hedonismus, unterhaltsamer Absurdität und Unangepasstheit sowie zugleich einer Schlichtheit und Geradlinigkeit die Ästhetik der Literatur und des Films der 60er Jahre in der Slowakei anklingen. Dies scheint nicht allzuweit her gegriffen, berücksichtigt man den Fakt, dass sie besonders Ivan Štrpka, einem der drei Dichter, die als „Einsame Läufer“ in die Literaturgeschichte eingegangen sind, sehr nahe steht (dem Erzählband Zwölf Erzählungen und Ján Med ist ein Štrpka-Gedicht hinzugefügt). Jana Beňová scheint außerdem eine natürliche Gabe für einen surrealistischen Blick zu haben: „Auf der Bahnhofsmauer waren Köpfe aufgereiht. Es war Sommer. Eltern stemmten ihre Kinder an den Beinchen in die Luft, so dass sie die Züge sehen konnten.“ (Parker). Auch dies scheint nicht von ungefähr – die Autorin arbeitet an der Zeitschrift PARK mit, in deren Rahmen der Surrealismus immer wieder eine Rolle spielt und in deren Umkreis wir auch Autoren wie den slowakischen Surrealisten Albert Marenčin antreffen.

Wer ist die Autorin Jana Beňová? Wir erfahren es in ihren Büchern, in jedem neuen ein Stück mehr – so banal das klingen mag.
Er habe Parker als eines der ihm existentiell wichtigen Bücher lange mit sich herumgetragen, äußerte der slowakische Dichter Andrej Hablák (*1977) zu diesem ihrem Roman.
Wollte man Jana Beňová ein Motto in den Mund legen, so würde dies wohl lauten: So schreibe ich, ich kann nicht anders.
Und das ist gut so.



 

 

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